1999

Letztes Jahr auf den Tag genau saß ich ebenfalls vor dem Schreibpapier und schrieb eine Zusammenfassung des Jahres. Zur Vervollständigung des letzten Jahres: Michaela hatte kurz vor Weihnachten noch eine Bänderdehnung beim Sport bekommen und bekam über die Weihnachtszeit einen Gips um das ganze Bein angelegt. Wer das Glück hatte, den Jahresbrief von 1998 zu bekommen, der las von ca. fünf Krankenhausgeschichten und eben die sechste Geschichte vor Weihnachten. So schlimm wie das letzte Jahr ist dieses Jahr nicht verlaufen, aber fangen wir von vorne an.

Den Geburtstag von Martina (30. März) feierten wir – Michaela, Martina und ich – in Spanien. Meine Träume gingen in die Richtung mit meinen bezaubernden Töchtern durch die Ortschaften zu bummeln, aber schon 24 Stunden später stellte sich heraus, dass es bei den Träumen bleiben sollte. Ehe ich mich versah, rissen mir die Jünglinge meine Töchter von der Seite und sie waren nicht mehr gesehen. Ein Gutes hatte die Sache, meine Bücher konnte ich lesen ohne gestört zu werden und früh zu Bett gehen konnte ich auch. Pünktlich um 2 Uhr nachts kamen dann die zwei Grazien, denn dann wurde die Disco im Hotel geschlossen. Nach den 10 Tagen gab es kein Knabenherz, das nicht zerbrach, als wir den Heimweg antraten.

Im April schaffte Martina ihre angestrebte Rollerprüfung nicht, die sie jedoch im Juni wiederholte und bestand. Keine Frage mehr, wer morgens die Brötchen holt. Kein Weg war ihr zu weit, wenn sie nur fahren konnte. Durch einen Zufall kaufte sich Helmut im Juni ein Motorrad (Chopper). Als er mal Abendschule hatte, bemerkte er, wie eines der Laboratorien brannte, er löschte es und wurde von der Bayer AG mit 5000,- DM belohnt. Davon kaufte er sich dann das Motorrad. Und weil er es einfahren musste und Martina auch nicht schneller als 60 km/h fahren konnte, waren die Beiden nur noch auf Achse. Viele lustige Sachen sind den Beiden unterwegs passiert, folgende möchte ich kurz schildern. Die Beiden fahren so durch das Bergische Land und fahren und fahren. Plötzlich (in der tiefsten Walachei) sagt Martina: „Papi, hier leuchtet immer eine gelbe Lampe, was bedeutet das?“ Helmut sagte dann zu ihr: „Das ist die Anzeige für das Benzin, gleich kannst Du Deinen Roller schieben, denn hier gibt es nichts anderes als Hasen und Füchse, aber keine Tankstelle!“ Zum Glück half den Beiden ein fremder Herr mit Auto und Benzinkanister.

Im Juni hatte Helmut immer rote Augen und ich sagte ihm, er solle mal zu einem praktischen Arzt gehen und sich durchchecken lassen. Bis dahin hatte Helmut noch nie einen Arzt aufgesucht. Um es kurz zu machen, es stellte sich nach allen Untersuchungen heraus: Fettleber und hoher Blutdruck. Klartext: er muss abnehmen um schlimmeres zu verhindern. Eine Kur wurde beantragt usw. usw.

Im Juli fuhren wir dann in den Urlaub nach Holland. Mit dabei waren Martina, ihre Freundin, Helmut und ich. Es war so schön, das wir sofort beschlossen, nächste Jahr wieder dahin zu fahren. Michaela war wie immer mit einer Jugendgruppe nach Schweden gefahren. Auch sie war wunschlos glücklich gewesen. Die andere Hälfte des Urlaubes musste Michaela Mathematik büffeln, um die Nachprüfung zu schaffen, denn sie war noch nicht versetzt worden. Es konnte noch so heiß sein, es wurde immer erst Mathematik gebüffelt und dann konnte sie ins Schwimmbad. Partys, die in der Zeit anfielen, durfte sie nicht besuchen, „denn nur ein ausgeschlafener, klarer Kopf versteht Mathematik“, war Vater’s Spruch. Die letzten zwei Tage vor der Prüfung begann dann die Schlaflosigkeit, Michaela wurde von Alpträumen geplagt. Die Prüfung am letzten Ferientag bestand sie dann mit Bravour, wurde versetzt. Aber das alles war doch sehr stressig für sie gewesen, sie sagte, dass sie es soweit nie mehr kommen lassen würde.

Im August gab es viele warme (bis heiße) Tage und nur so kann ich mir erklären, das ich auf meinem Handy angerufen wurde und ein aufgebrachter Junge am anderen Ende stammelte: „Ihre Tochter Michaela hat keine Luft mehr bekommen, war schon blau im Gesicht und wurde gerade im Krankenwagen mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren!“ Ich saß gerade bei einer Bekannten in Köln vor einem dicken Stück Kuchen, als ich das hörte, raffte ich alles zusammen und raste mit dem Auto über die Autobahn Richtung Leverkusen. Jeder weiß, was da in Mutter’s Kopf vor sich geht. Am Eingang des Krankenhauses mein verwunderter Blick, steht da meine Tochter zwischen Freunden und hüpft von einem Bein aufs andere. Alle redeten durcheinander, ich hörte etwas von Hyperventilation, zu schnell geatmet, Spritze bekommen usw. Michaela fragte mich dann, ob sie wieder mit ihrer Clique gehen dürfte, es wäre ja alles wieder in Ordnung. Ich sagte zu ihr, dein direkter Weg ist ins Bett. Das war der einzige Besuch im Krankenhaus in diesem Jahr, für unsere Familie ein Superjahr. Wenn man bedenkt, dass Helmut und ich das Inline-Skaten erlernt haben. Gut, die großen Schrammen, die Helmut davongetragen hat, sind bis heute noch zu sehen. Aber als er mehr auf dem Asphalt lag als fuhr, entschlossen wir uns, einen Kursus zu belegen. Dort lernten wir das perfekte Fahren aber auch Fallen. Nun ist uns kein Berg zu steil. Auf dem Höhepunkt unserer Fahrkunst brach dann der Herbst an und bei Regen ist das Fahren nicht so schön, deshalb haben wir eine Pause eingelegt. Wir haben auch ein Video davon gedreht, damit bekommt man jeden zum Lachen. Im September brach dann die aufregende Zeit für Martina an. Sie begann ihre Lehre als Kauffrau für Bürokommunikation. Wir sagten ihr, das wird eine harte Zeit, sie belehrte uns eines besseren und kommt immer früher nach Hause. In der Berufsschule fällt sehr viel Unterricht aus. Auf ihrer Ausbildungsfahrt nach Glücksburg (zum Segeln) hat sie ihren neuen Freund kennengelernt, der immer noch die erste Geige spielt. Er heißt Dennis und ist wirklich ein lieber Kerl. Auch Michaela hat einen neuen Freund, er heißt Nils und ist ebenfalls ein lieber Kerl. Im Oktober haben wir wieder zu tanzen begonnen. Sollte Helmut diesmal beim Jive keine Schleimbeutelentzündung im Knie bekommen, versuchen wir es mal bis Bronze.

Im November sei noch erwähnt, kam meine Schwägerin Ana aus Peru zu uns. Ich hatte sie vor 13 Jahren in Peru zum letzten Mal gesehen, es war ein tolles Wiedersehen. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wünschte ich mir gerne noch einmal so ein schönes und ruhiges Jahr wie dieses.